Interview mit Jannik Föhrke von der Osteroder Tafel

Nachricht Osterode, 21. Dezember 2023

„Wenn du dem Thema Armut aus dem Weg gehen willst, ist das hier der falsche Ort“

Jannik Föhrke engagiert sich seit Jahren für die Osteroder Tafel. Foto: Christian Dolle

Jannik Föhrke ist 22 und arbeitet seit Jahren ehrenamtlich bei der Osteroder Tafel. Was dass
für ihn bedeutet und warum er die Arbeit für wichtig hält, erläutert er im Interview.
Wie kamst du zur Tafel?
Nach meinem Abitur wusste ich noch nicht genau, was ich danach machen sollte. Studium
oder Ausbildung oder doch erstmal einen Freiwilligendienst? Durch einen Zeitungsartikel
wurde ich aufmerksam, dass hier Fahrer gesucht werden und obwohl ich noch 17 war, fragte
ich einfach mal nach.
Da ist es als Fahrer schwierig. Was waren deine ersten Tätigkeiten hier?
Zunächst einmal habe ich mir die Arbeit als Beifahrer angeguckt, ob es überhaupt etwas für
mich ist und ob ich es mir ein ganzes Jahr über vorstellen kann. Allerdings dachte ich nach
der ersten Woche noch: Hier bleibe ich nicht.
Warum das?
Man muss sich die Touren so vorstellen, dass wir jeden Morgen zu den Supermärkten oder
Bäckereien fährt und Lebensmittel abholt. Dann hat man meistens auch noch eine Tour zu
einer der Ausgabestellen. Die beiden Fahrer, die mich eingearbeitet haben, waren super nett,
aber sprachen leider wenig Deutsch, was gerade zur Einarbeitung hinderlich ist. Und die
körperliche Arbeit darf man eben auch nicht unterschätzen. Sechs Tage in der Woche war das
damals ziemlich viel.
Warum bist du dann doch dabeigeblieben?
Die anfängliche Unsicherheit hat sich ziemlich schnell gelegt, es pendelte sich ein und ich
wollte es auch durchziehen. Außerdem merkt man schnell, wie wichtig diese Arbeit für sehr
viele Leute ist. Als ich anfing, hatte ich überhaupt keine Ahnung vom System Tafel, aber ich
wollte eben auch soziale Arbeit leisten. Die Erfahrung wollte ich machen.
Inzwischen bist du etliche Jahre hier...
Ja, rückblickend kann ich sagen, dass es eine gute Entscheidung war, dranzubleiben und hier
Erfahrungen zu machen.
Jetzt studierst du und weißt, wohin du beruflich gehen willst, arbeitest hier aber ehrenamtlich
weiter, übernimmst auch Aufgaben in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Du bist also immer noch
überzeugt, wie wichtig die Arbeit der Tafel ist?
Ja, ich konnte von Anfang an Ideen und Anregungen einbringen, das fängt bei den Touren an,
die immer mal wieder optimiert werden können, und betrifft auch andere Aspekte, auf die ich
vielleicht einen anderen Blick habe. Da werden meine Vorschläge gehört und der jetzige Vorstand
ist sehr offen dafür.
Würdest du jemandem, der in der Situation ist wie du damals, den Bundesfreiwilligendienst
oder generell die Arbeit bei der Tafel empfehlen?
Was man wissen sollte, ist, dass man Geduld braucht und auch etwas abkönnen muss. Wenn
du dem Thema Armut aus dem Weg gehen willst, ist das hier der falsche Ort. Du siehst vieles,
was dich zum Nachdenken über unsere Gesellschaft bringt.
Aber merkst du nicht auch, dass du als Einzelperson etwas bewirken kannst?
Genau das ist eben das Schöne. Hier hat man einen Ort, an dem man sieht, dass man
gebraucht wird. Hier ist die Hilfe nicht umsonst, jeden Tag, den ich herkomme, jede Stunde,
die ich herkomme, ist total nützliche Zeit. Man kann anderen Leuten wirklich helfen und das
ist meine Motivation. Bestimmt wäre es für viele Leute interessant, sich die Arbeit der Tafel
mal anzugucken.
Das komplette Interview gibt es auch auf Youtube: https://youtu.be/2Y5Dxa-
Nebdw?si=jbc8OQS7zXfaJLQs
Derzeit sucht die Osteroder Tafel wieder neue Fahrer und Beifahrer. Wer also selbst Erfahrungen
machen möchte, wer Lebensmittel vor der Mülltonne retten und jene unterstützen will,
die sich sonst nicht genug leisten können, ist herzlich willkommen.

Christian Dolle