Sexualisierte Gewalt ist ein Thema, das in allen Bereichen der Kirche Aufmerksamkeit und verantwortungsvollen Umgang erfordert – auch in der Kirchenmusik. Erstmals widmete sich ein Fachtag in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gezielt diesem Thema aus der Perspektive hauptamtlicher Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker. Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder begrüßte die Teilnehmenden und unterstrich die Bedeutung des Treffens: „Viele von Ihnen haben bereits an Schulungen der Präventionsstelle teilgenommen. Doch dieser Fachtag ist in der Landeskirche bisher einmalig, weil er die besondere Perspektive der Kirchenmusik aufgreift. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und der Fachstelle für ihre Begleitung.“
25 Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aus dem gesamten Sprengel Hildesheim-Göttingen kamen in der Hildesheimer Michaelisgemeinde zusammen, um sich mit den Dynamiken von Macht und Ohnmacht in musikalischen Arbeitskontexten auseinanderzusetzen. Begleitet wurde die Veranstaltung von Pastorin Petra Eickhoff-Brummer und Wiebke Seedorf von der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche.
Die Teilnehmenden berichteten von Erfahrungen, tauschten Fragen aus und diskutierten konkrete Lösungsansätze. Gerade in der Kirchenmusik entstehen spezifische Nähe-Distanz-Konstellationen: regelmäßige Chorproben, Wochenendfreizeiten, Unterrichtssituationen oder auch die räumliche Gestaltung der Probenräume bringen besondere Herausforderungen mit sich. Hinzu kommen informelle Machtasymmetrien – etwa zwischen Kantor*innen, Ehrenamtlichen und Gremienmitgliedern –, die eine besonders achtsame Haltung im Miteinander erfordern.
Der Fachtag knüpfte an einen Dialogprozess an, der im vergangenen Jahr durch ein Treffen der Regionalbischöfin mit Kirchenmusikdirektorin Angelika Rau-Čulo (Nordbereich des Sprengels) in Hildesheim angestoßen wurde. Gemeinsam mit ihrem Kollegen, Kirchenmusikdirektor Detlef Renneberg (Südbereich) setzte sie sich für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema im Bereich der Kirchenmusik ein.
Auch Landeskirchenmusikdirektor Benjamin Dippel betonte die Bedeutung dieses Austauschs:
„Dieser erste Fachtag war ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir in der Kirchenmusik Verantwortung übernehmen, hinschauen und unser musikalisches Wirken in einen sicheren Rahmen stellen wollen. Unser Ziel ist es, flächendeckend Schutzkonzepte speziell für den Bereich Kirchenmusik und einen Verhaltenskodex zu etablieren, um präventive Strukturen zu schaffen und die Sensibilität für das Thema weiter zu stärken.“
Dass dieser Kodex nicht von oben verordnet, sondern von den Kirchenmusiker*innen selbst entwickelt werden soll, ist dabei ein zentrales Anliegen. Die Kollegenschaft möchte aus der Praxis heraus tragfähige Haltungen und Leitlinien erarbeiten – ein Schritt hin zu mehr Eigenverantwortung und gelebtem Kulturwandel.
Die Veranstaltung bot Raum für offene Fragen und den Austausch über Herausforderungen im Alltag. Mit ihren Impulsen schufen Renneberg und Rau-Čulo eine wertvolle Gelegenheit, das Bewusstsein für das Thema sexualisierte Gewalt in der Kirchenmusik weiter zu schärfen.
Besonders hervorgehoben wurde auch die Rolle der hauptamtlichen Kirchenmusiker*innen als Multiplikator*innen: Sie begleiten Ehrenamtliche – etwa in Chören oder musikalischen Gruppen – und tragen Verantwortung für einen geschützten Rahmen. Der Fachtag zeigte, wie wichtig es ist, Unsicherheiten offen zu besprechen und praxisnahe Fallbeispiele in den Blick zu nehmen.
„Verantwortung und eine entsprechende Haltung samt des Kulturwandels schaffen wir – auch im Bereich der Kirchenmusik – nur gemeinsam im Team und indem wir eine Kultur der Achtsamkeit einüben. Damit sind wir vermutlich nie fertig, das wird ein lebenslanger Lernprozess sein“, so Angelika Rau-Čulo.
Gunnar Müller