Foto: Christian Dolle
Ehrenamtliche Paten berichteten von ihren Erfahrungen bei der Hilfe für Flüchtlingsfamilien
„Denken Sie daran, Sie haben es mit erwachsenen Menschen zu tun, die es geschafft haben, aus ihrer Heimat bis hierher zu kommen. Sie sind nicht unselbstständig, also entmündigen Sie sie bitte nicht.“ Mit diesen Worten wandte sich Brigitte Maniatis in der vergangenen Woche an die ehrenamtlichen Flüchtlingspaten der Gruppe „Willkommen in OHA“. Wie genau diese Hilfe für ankommende Flüchtlinge aussehen kann, darüber berichteten Anita Kahl, Heike Grobis und Dieter Rauen, die bereits einige Erfahrung mit ihren Familien gesammelt haben.
Der zunächst vage Wunsch, sich irgendwie einzubringen, stand bei Anita Kahl im Vordergrund, um sich in der Gruppe zu engagieren. Nach einigen vorab eingeholten Informationen übernahm sie mit einigen Mitstreiterinnen die Patenschaft für mittlerweile zwei Familien, richtete mit Hilfe von Spenden aus dem Bekanntenkreis deren Wohnungen in Dorste ein und kümmerte sich um alles, was anfiel, vom Ämtergang bis hin zum Einkaufen oder Arztbesuch. „Irgendwann setzten wir uns zu mehreren zusammen, um die Aufgaben zu teilen, damit die Belastung nicht zu groß wird“, berichtete sie, „in der ersten Zeit habe ich nämlich kaum noch an etwas anderes denken können.“
Die Arbeitsteilung war ein wichtiger Schritt, vor allem nehme die Unterstützung aber auch nach den ersten Wochen immer mehr ab, was ja auch gerade das Ziel der Hilfe sein soll. Diese Erfahrung machte auch Dieter Rauen, der von viel Lauferei in den ersten Tagen erzählte, was dann allerdings schnell weniger wurde. Außerdem lobte er dem Umgang mit den jeweiligen Behörden, deren Mitarbeiter sich sehr unkompliziert um alles kümmerten, was in ihrem Aufgabenbereich liege. Allerdings sei genau das wiederum ein Problem, da die Gesetzeslage in vielen Detailfragen undurchsichtig und daher oft niemand wirklich zuständig sei.
Kein Problem sei hingegen das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und die Rücksichtnahme auf eventuelle Fettnäpfchen bei den Flüchtlingsfamilien. Genau wie Rauen hatte auch Heike Grobis die Erfahrung gemacht, dass die Familien sich relativ schnell anpassen oder es zumindest versuchen. Bei einer der von ihr betreuten Familien sei das Konzept der deutschen Pünktlichkeit nur schwer zu vermitteln gewesen, während es bei der anderen überhaupt kein Problem war. Eine der Familien kommt aus Syrien, die andere aus Afghanistan, für Arabisch sei es kein Problem gewesen, einen Übersetzer zu finden, für Farsi schon eher. Trotzdem hätten sich die jungen Leute selbstständig um Sprachkurse und mögliche Schulabschlüsse gekümmert.
Die Flüchtlinge seien alles andere als hilflos, berichteten die drei Paten, vieles organisieren sie selbst, zudem bringen sie alle Kompetenzen, oft auch eine akademische Ausbildung, mit. Wichtig sei es, ihnen die Strukturen in Deutschland zu erläutern und bestimmte, meist durch die Sprache bedingte Hürden zu meistern. „Anfangs haben wir uns mit Händen und Füßen verständigt“, erzählte Kahl. „Bei uns ging vieles auf Englisch“, berichtete dagegen Raue. Letztlich waren sie alle aber Schritt für Schritt weitergekommen, wissen ihre Familien auf einem guten Weg und seien zudem freundschaftlich zusammengewachsen.
Auch andere bestätigten diese Eindrücke, eine Patin wurde in „ihrer“ Flüchtlingsfamilie sogar zur ehrenamtlichen Hebamme, da das Baby schließlich schneller da war als der Krankenwagen. Solche kleinen Wunder passieren nun einmal, wenn Menschen sich in einem fremden Land nicht auskennen und es zum Glück Ehrenamtliche gibt, die mit viel Engagement und einigem Improvisationstalent die Dinge gemeinsam mit ihnen meistern.
Einige praktische Tipps für die anwesenden gab es seitens des Jobcenters und der Stadt Osterode bzw. des Landkreises. Dabei ging es beispielsweise um die Anerkennung von Schul- oder Universitätsabschlüssen, die wegen der verschiedenen Bildungssystem nicht immer einfach ist oder um Tipps zur Mülltrennung und zum Energiesparen in verschiedenen Sprachen, da diesen Dinge in vielen anderen Ländern wenig Bedeutung beigemessen wird, sei es auch nur, weil mancherorts energiesparendes Heizen dank höherer Außentemperaturen kein Thema ist. Außerdem brachte Pascal Simoleit von der Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe einige Exemplare des Grundgesetzes in arabischer Sprache mit. Dazu betonte Brigitte Maniatis, wie wichtig es ist, dass Flüchtlinge sich mit den hier geltenden Regeln vertraut machen und unsere Werte anerkennen.
Der Schlüssel dazu ist eindeutig die Sprache und die Kommunikation mit Deutschen. Hierzu stellte Angela Zölke ein Projekt des Kirchenkreises Harzer Land vor. Die Diakonie Niedersachsen gab zusammen mit dem Goethe-Verlag die kostenlose Sprach-App „German for refugees“ heraus, mit der das Deutschlernen auch in Sprachkursen unterstützt wird. Um das Gelernte vom Smartphone auch in die reale Welt und den Alltag zu transportieren, laden die Kirchengemeinde St. Marien am 7. und die Kirchengemeinde St. Jacobi am 13. April zu einem zwanglosen Treffen zum Kennenlernen, Kontaktaufnehmen und Erfahrungsaustausch für Flüchtlinge, Paten und natürlich alle Interessierten ein.
Denn auch, wenn die ehrenamtlichen Paten in Osterode bemerkenswerte Arbeit leisten, kommen immer noch weitere Flüchtlinge nach Deutschland, die ebenfalls Unterstützung brauchen und für die immer noch engagierte Helfer gesucht werden.
Mehr Informationen zu „Willkommen in OHA“ sind unter https://www.osterode.de/portal/seiten/willkommen-in-osterode-am-harz-ehrenamtliche-helfen-fluechtlingen-912000515-21351.html?rubrik=912000001 zu finden.
Öffentlichtskeitsbeauftragter des Kirchenkreises Harzer Land Christian Dolle