„Wir können hier Pflaster kleben – aber es müssen politische Lösungen her“

Nachricht Clausthal-Zellerfeld, 15. September 2022

Besuch beim Clausthaler Tisch Lazarus der Osteroder Tafel – akut werden haltbare Lebensmittel benötigt

Beim Clausthaler Tisch Lazarus (von links): Sabine Krause, Almut Mackensen, Klaus-Wilhelm Depker, Urs Ebenauer, Ulrike Schimmelpfeng und Dr. Adelheid Ruck-Schröder. Foto: Mareike Spillner

Das Thema Armut, verschärft durch die gegenwärtige Situation, der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln, bei dem die Politik in die Verantwortung genommen werden muss – und die Frage, was dennoch jeder einzelne tun kann, um die Situation der Tafeln zu verbessern und die Wartelisten bei der Lebensmittelausgabe kürzer werden zu lassen – all das waren Fragen, denen der Kirchenkreis Harzer Land bei der Visitation der Regionalbischöfin des Sprengels Hildesheim-Göttingen, Dr. Adelheid Ruck-Schröder, zu Besuch beim Clausthaler Tisch Lazarus nachging. Der Tisch Lazarus, An der Marktkirche 4 in Clausthal-Zellerfeld, sorgt seit 2005 dafür, dass Märkte und Bäckereien vor Ort übriggebliebene Waren nicht entsorgen müssen und Menschen mit geringem Einkommen ausreichend Lebensmittel erhalten. Mitbegründer des Projekts waren das Diakonische Werk im Kirchenkreis Harzer Land, die Clausthaler Marktkirchengemeinde und weitere Kirchengemeinden aus dem Oberharz. Seit dem vergangenen Jahr kooperiert der Tisch Lazarus nun mit der Osteroder Tafel und stellt eine Außenstelle dar, um Synergien zu nutzen und Kosten zu mindern.

Im Gespräch mit Sabine Krause, die sich seit 17 Jahren bei Lazarus engagiert, und Luise Schrader, Schatzmeisterin der Osteroder Tafel, stellt Dorothee Austen, Kirchenvorstandsvorsitzende der Marktkirchengemeinde, heraus, dass es der Gemeinde ein großes Anliegen war, den Tisch Lazarus in den eigenen, kirchlichen Räumen zu erhalten und zu beherbergen – und dies auch weiterhin zu tun. An zwei Ausgabetagen in der Woche, mittwochs und freitags von 14.30 bis 17 Uhr (die Zeiten wurden bereits erweitert), werden aktuell jeweils etwa 50 Kisten ausgegeben – kleinere für 1-2 Personen und größere Familienkisten. Aktuell stehen allerdings etwa 25 Familien auf der Warteliste. „Der Bedarf ist groß – wir hatten schon überlegt, einen dritten Ausgabetag die Woche anzubieten. Aber dafür bekommen wir nicht ausreichend Lebensmittel“, schildert Sabine Krause. Und Kirchenkreissozialarbeiterin Dana Pruss ergänzt: „Die Schere zwischen den ganz Armen und den ganz Wohlhabenden geht einfach immer weiter auseinander. Dies spüren wir beim Tisch Lazarus sehr. Die steigenden Energiepreise und die gegenwärtige Situation verstärken die Not. Dazu kommen die Geflüchteten, zum Beispiel aus der Ukraine oder aus dem Libanon. Ein politisches Verbot der Vernichtung von Lebensmitteln würde immens helfen, dem Bedarf nachzukommen.“ Dieser Meinung schlossen sich auch die Politiker Almut Mackensen, Die Grünen Osterode, und Klaus-Wilhelm Depker, Die Linke Northeim, an. 

Bereits vor dem Rundgang durch die Ausgabe- und Küchenräume stellte Dr. Adelheid Ruck-Schröder fest, dass dies ein hochpolitisches Thema wäre und es traurig sei, dass es überhaupt Tafeln gäbe. Superintendentin Ulrike Schimmelpfeng pflichtete ihr bei: „Es ist besonders wichtig, dass wir die Menschen unterstützen. Wir können hier ein paar Pflaster kleben und das müssen wir auch tun – aber auf politischer Ebene müssen langfristige Lösungen her!“ Der stellvertretende Superintendent Dr. Uwe Brinkmann stellte die Frage, wie es um die ehrenamtlichen Helfer bestellt sei. Beide Vertreterinnen der Tafel antworteten, dass oft weitere HelferInnen benötigt werden. „Viele unserer Ehrenamtlichen sind bereits in Rente. Ihnen fallen die körperliche Arbeit und das Kistentragen zunehmend schwer. Wünsche an die Politik wären hier eine kleine Aufwandsentschädigung für das Ehrenamt und vielleicht auch Rentenpunkte für den Dienst bei der Tafel als Anreiz zur Mithilfe.“ 

Aktuell werden sowohl bei der Osteroder Tafel mit den Außenstellen in Bad Grund, Bad Lauterberg, Duderstadt, Gieboldehausen, Hattorf, Herzberg, Wulften und Wollershausen, aber auch beim Tisch Lazarus und sicher auch bei der eigenständigen Tafel in Bad Sachsa vorwiegend und dringend haltbare Lebensmittel benötigt, wie zum Beispiel Wurst- und Fischdosen, Würstchen im Glas, aber auch Nudeln und Reis. „Mehl, Zucker, Salz und ähnliches sind gerade genügend vorhanden. Was oft fehlt, sind Süßigkeiten für die Kinder wie Kekse, Schokolade oder Gummibärchen als Obolus. Hauptsächlich hilft uns wirklich alles, was sich hält. Gerne auch als Einzelspende – denn jede Spende bewirkt etwas und wird gebraucht. Und wenn mehrere Einzelne spenden, summiert es sich auch. Genauso verhält es sich natürlich mit Geldspenden“, beschreibt Sabine Krause. Genau deshalb möchte der Kirchenkreis Harzer Land zum Erntedankfest auch um haltbare Spenden bitten, die im Anschluss an die Erntedank-Gottesdienste, die in der Regel am 2. Oktober stattfinden, an die Tafel übergeben werden. 

Infos zur Osteroder Tafel und den Außenstellen unter: https://www.osteroder-tafel.de/.

Text: Mareike Spillner