Verteidigerin des Sozialismus

Nachricht Osterode, 18. März 2022

Dr. Heidi Gidion referierte über Christa Wolf

@Christian Dolle

Um Christa Wolf ging es beim literarischen Abend mit Dr. Heidi Gidion in der Osteroder Schlosskirche. Die Literaturwissenschaftlerin aus Göttingen stellte die Schriftstellerin als eine der wichtigen Stimmen im geteilten Deutschland vor. Sie ging auf Wolfs Verhältnis zur DDR sowie auch auf die Kritik an ihrer Haltung nach der Wende ein.

Dr. Heidi Gidion war auf Einladung von Pastorin Ute Rokahr bereits zum dritten Mal für eine Veranstaltung in Osterode, hat sich hier inzwischen schon ein kleines, aber feines Stammpublikum aufgebaut. Das liegt zum einen sicher an ihrem fundierten literarischen Wissen und der Fähigkeit, bestimmte Aspekte anhand weniger ausgewählter Texte und einer weitreichenden Einordnung herauszuarbeiten. Zum anderen liegt es aber auch an ihrer Art, sehr persönlich, aus dem eigenen Leben erzählend zu referieren und dabei jene Begeisterung für Literatur zu wecken, die offenbar auch sie in ihrem Leben begleitet.

Aus ihrer Begeisterung für Christa Wolf machte Dr. Gidion an diesem Abend keinen Hehl. Sie sprach zwar an, dass die Autorin in der Zeit der deutsch-deutschen Teilung als Verteidigerin ihres Landes gegenüber dem Westen galt, stellte sie aber vor allem als moralische Instanz in der DDR sowie als Publikumsmagnet, beinahe schon literarischer Popstar in der Bundesrepublik dar.

Damit war Christa Wolf eine Kritikerin, die den Sozialismus nicht gänzlich ablehnte, sondern sich eine bessere Form der Ideologie wünschte und ihm daher nicht entfliehen wollte, sondern von innen heraus analysierte und mahnte und dabei Streichungen in ihren Werken und überhaupt Überwachung in Kauf nahm. Mit „Kassandra“ oder auch „Störfall“ warnte sie deutlicher als viele andere.

Was das für sie bedeutete, machte sie nach der Wende in „Was bleibt“ deutlich, in dem sie schon 1979 beschrieb, wie sie als Schriftstellerin von der Stasi observiert wurde. Allerdings glaubten ihr bei der Veröffentlichung 1990 viele nicht, dass das Buch bereits etliche Jahre zuvor entstanden war, was damals deutlich an ihrer Reputation rüttelte. Dr. Gidion hingegen verteidigte Christa Wolf an diesem Abend geradezu glühend und gab ihren Zuhörern damit einigen Stoff zum Nachdenken mit, vielleicht auch den Anreiz, sich wieder einmal mit den Büchern von Christa Wolf auseinanderzusetzen.

Christian Dolle