Am kommenden Sonntag, 30. Januar, wird Norbert Hammermeister nach 30 Jahren als Kirchenkreissozialarbeiter um 14 Uhr in der Marktkirche in Clausthal verabschiedet. Mareike Spillner führte mit ihm ein Interview, das auf seine Arbeit im Oberharz zurückblickt und auch nachhakt, ob dem Harzer Land ein kleiner Kirchenfreund erhalten bleibt.
- Herr Hammermeister, 42 Jahre in einem Beruf tätig zu sein, 30 Jahre als Kirchenkreissozialarbeiter – eine große Leistung! Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Norbert Hammermeister: „Anfang der 70er Jahre – damals machte ich mein Fach-Abitur an der FOS in Goslar – sind viele junge Menschen den Weg in die sozialen Berufe gegangen. Es hatte was damit zu tun, dass in dieser Zeit – ähnlich wie heute – unter den jungen Menschen eine Aufbruchsstimmung herrschte. Ganz persönliche Erfahrungen, die ich schon als Kind und Jugendlicher mit Krankheit und Behinderung gemacht habe, haben ebenfalls zu der Berufswahl geführt. Darüber hinaus führte der Weg an die Hochschule aus der ‚Mittleren Reife‘ für mich damals über die FOS, da bot sich die Fachrichtung Sozialwesen an.“
- Was bereitet Ihnen noch heute Freude daran?
Norbert Hammermeister: „Mit Menschen unterschiedlichsten Alters und verschiedener Herkunft an den Schnittstellen des Lebens gemeinsam Perspektiven zu entwickeln, Menschen zuzuhören, sie so zu nehmen, wie sie sind, in scheinbar aussichtslosen Situationen Hoffnungsträger und Anker zu sein, immer wieder nach vorne schauen und nicht den Humor dabei verlieren.
- Haben Sie manche Geschichten und Schicksalsschläge auch „mit nach Hause genommen“?
Norbert Hammermeister: „Wenn mich in meinen vielen Berufsjahren etwas belastetet hat, dann sind es manchmal die Bedingungen gewesen, unter denen ich gearbeitet habe. Das war nicht immer einfach und da habe ich auch heute noch meine Kritik. Wenn ich von außen auf kirchliche Strukturen schaue, dann verstehe ich, warum viele Menschen Kirche den Rücken zukehren. Das belastet mich, denn Kirche und Diakonie einschließlich der Menschen, die hier arbeiten, können in unserem Land immer noch was bewegen. In meinem Herzen habe ich mir überwiegend die Geschichten und Schicksalsschläge aufbewahrt, die mit Dankbarkeit zu tun haben, wenn Menschen mir nach Jahren wieder begegnet sind und mir erzählten, dass es ihnen gut geht und dass ich und meine Arbeit großen Anteil daran haben.“
- Was hilft?
Norbert Hammermeister: „Auch hierzu ein ehrliches Wort: Der Abstand, die nötige Distanz haben mir immer geholfen. Für und im Oberharz, gemeinsam mit seinen Menschen, habe ich 30 Jahre als Kirchenkreissozialarbeiter gewirkt. Abgeschaltet und neue Kraft getankt habe ich in Goslar.“
- Welches waren besonders schöne Momente und Erlebnisse?
Norbert Hammermeister: „Ich habe von Anfang der 90er-Jahre an bis zuletzt 2011 zahlreiche, wunderbare Freizeiten mit Seniorinnen und Senioren aus dem Oberharz erlebt. Ich habe diese Freizeiten, die immer auch mit sehr viel Arbeit verbunden waren, genossen und habe viele wunderbare Stunden mit weisen, alten Menschen verbringen dürfen. Ich habe 20 Jahre meines Berufslebens als Kirchenkreissozialarbeiter mit Zivildienstleistenden in der Beratungsstelle gearbeitet. Die Arbeit wurde die jungen Männer – fast alles „IT-Spezialisten“ – immer auf ganz besondere Art und Weise befruchtet. Ich bedauere, dass es den Zivildienst so nicht mehr gibt. Und es gibt viele Momente der Dankbarkeit.
- Was werden Sie vermissen?
Norbert Hammermeister: „Das werde ich erst wissen, wenn ich nicht mehr da bin!“
- Wird es ein Ruhestand oder eher ein Unruhestand - was haben Sie vor?
Norbert Hammermeister: „Meine Frau und ich werden in Kürze unser Haus im Goslarer Stadtteil Steinberg verkaufen und nach Bad Harzburg ziehen. Es gibt also eine neue Stadt und eine neue Umgebung zu entdecken. Ich werde es genießen, dass der Wecker nicht jeden Tag um 5:20 Uhr klingelt, noch öfter und noch gesünder kochen als gegenwärtig, neue Kabarett- oder Theater-Projekte angehen, im Raum steht die Überlegung sich einem Chor anzuschließen, und dann gibt es da noch die Ahnenforschung: Etliche Dokumente und Fotos aus alten Archiven müssen sortiert werden, zahlreiche „neue“ Verwandte möchte ich kennenlernen.“
- Und wie geht es mit dem „kleinen Kirchenfreund“ weiter?
Norbert Hammermeister: „Den ‚kleinen Kirchenfreund‘ wird es auch weiterhin geben, auch dann, wenn ich selbst nicht mehr hauptberuflich als ‚kirchenpolitischer Gastarbeiter‘ unterwegs sein werde. Für 2022 gibt es bereits einige Auftritts-Anfragen, und der „kleine Kirchenfreund“ hofft auf „je weniger Corona, desto mehr ‚Kirchenfreund-Kultur‘!“
- Ist Ihnen noch etwas wichtig zu sagen/was möchten Sie mit auf den Weg geben?
Norbert Hammermeister: „Ich finde es super, dass es zeitig gelungen ist die Stelle der Kirchenkreissozialarbeiterin/des Kirchenkreissozialarbeiters für die Zeit nach meinem Weggang wieder zu besetzen. Und richtig spitze ist es, dass mit Dana Pruss eine junge, engagierte und kompetente Berufskollegin den Posten am Standort Clausthal übernimmt. Befremdlich finde ich es, dass bei den künftigen Sparmaßnahmen nach dem Rasenmäher-Prinzip gespart werden soll. Ich würde es mir wünschen, wenn es für Diakonie und kirchliche Sozialarbeit glimpflicher ausgehen würde, gerade in Regionen, die von Armut geprägt sind.“
Vielen Dank für das spannende Interview!
Christian Dolle