Schon seit vielen Jahren sehen sich beinahe alle Friedhöfe in der Region aber auch überregional mit denselben Herausforderungen konfrontiert: Immer mehr Menschen lassen sich in einer Urne beisetzen und Flächen, die vorher notwendig waren, werden nicht mehr für Bestattungen gebraucht. Damit gehen ernst zu nehmende Probleme einher: Überhangflächen, die brachliegen und gepflegt werden müssen, Bestattungsangebote, die nicht mehr zeitgemäß und attraktiv erscheinen, weil es eine deutliche Tendenz zu pflegeleichten oder gar pflegefreien Grabstätten gibt. Das wiederum zieht Finanzierungsprobleme nach sich, da insgesamt ein höherer Mehraufwand seitens des Friedhofträgers bei weniger Einnahmen festzustellen ist. Wie soll ein Friedhof da noch wirtschaftlich tragfähig sein?
Zusammenfassend: Die Friedhofskultur ist von enormen gesellschaftlichen Veränderungen betroffen. Der klassische Friedhof ist zudem nicht mehr alleiniger Ort für die Beisetzung, sondern auch ein Ort der Erholung, der Stadtgeschichte und der Ökologie. Dem muss Rechnung getragen werden!
Aus diesem Grund hat die evangelische St. Andreaskirchengemeinde in Bad Lauterberg ein ambitioniertes Projekt in Kooperation mit dem Planungs- und Beratungsbüro „PLANRAT VENNE“ aus Kassel erarbeitet. Nachdem dieses in der Region einmalige Konzept kürzlich dem Hannoverschen Landesbischof Ralf Meister präsentiert [JF1] worden war, soll es nun nach einer einjährigen Konzeptionsphase der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Das Konzept sieht die Teilung des Friedhofs in zwei Bereiche vor: im nördlichen Teil soll eine Parkanlage zur ruhigen Erholung entstehen, der südlichen Teil ist weiterhin als Ort der Bestattung und Trauer vorgesehen. Die Entwicklungsziele, welche für den aktiven Friedhofsteil verfolgt werden sollen, lauten, neue, nachfrageorientierte Bestattungsangebote zu schaffen, die bestehenden zu optimieren und in bestimmten Bereichen des Bergfriedhofs keine Neuvergabe von Grabstätten zu erlauben. Zudem soll der Bereich der Kindergräber durch ansprechende Rahmenbepflanzung und Aufenthaltsgelegenheiten aufgewertet werden.
Für den nördlichen Teil des Bergfriedhofs ist eine ruhige Erholungsnutzung in Form eines Friedhofsparks vorgesehen in welchen Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität integrieret werden. Die Parkanlage soll als „Garten der Besinnung“ gestaltet werden. Der nördliche Friedhofsteil weist schon verschiedene Gartenräume auf, deren natürliche Charakteristik weiter ausgearbeitet wird, und in denen die fünf Sinne angeregt werden könnten: Tasten, Riechen, Hören, Schmecken und Sehen – zum Beispiel beim Picknick im Grünen im Klang der Natur. Dabei sollen besonders erhaltenswerte Grabsteine erhalten bleiben und durchaus auf die ehemalige Funktion als Friedhof hinweisen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt können erste Ideen integriert werden. Eine endgültige Neugestaltung des nördlichen Teils des Bergfriedhofs ist jedoch erst nach Ablauf aller Ruhefristen und Nutzungsrechte vorgesehen. Die Kriegsgräber und Zwangsarbeitergräber, die bereits auf dem Friedhof als Gedenkstätten für den ersten und zweiten Weltkrieg existieren, bleiben dauerhaft erhalten und sollen ebenfalls im Rahmen des Projekts in Kooperation mit der Stadt aufgewertet werden. Die Umsetzung dieses Projektes ist in drei Prozessphasen aufgeteilt, die sich auf die nächsten 30 bis 50 Jahre erstrecken und nach und nach geschehen: Phase 1 könne in den ersten fünf bis zehn Jahren realisiert werden, so bis dahin Gelder zur Verfügung stehen, Phase 2 in den nächsten 10 bis 30 Jahren und Phase 3 in den nächsten 30 bis 50 Jahren. Der erste Abschnitt weist mit einem mittleren sechsstelligen Betrag die höchste Investition der drei Abschnitte aus. Dazu gehören zum Beispiel die unterschiedlichen Stationen des „Gartens der Besinnung“, die Anschaffung von Parkgegenständen wie Bänke und Mülleimer, die Neugestaltung der Eingänge, die Wegeanbindung oder etwa die Anpassungen der Vegetation. Hinzu kommt die Neugestaltung der Wirtschaftsfläche im südwestlichen Teil des Friedhofs, damit auf dieser effektiver und damit ökonomischer gearbeitet werden kann. „Uns ist wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um ein Gemeinschaftsprojekt handelt, das ein Pilotprojekt für die gesamte Region werden kann und nicht alleine umzusetzen ist. Wir als Kirchengemeinde haben den Anfang gemacht, nun gilt es, die Stadt, eine Schirmherrin oder Schirmherr, weitere Fürsprecher und Großsponsoren mit ins Boot zu holen sowie Fördergelder zu akquirieren“, betont Laurent Weydmann als Verantwortlicher Beauftragter des Projekts. Das Konzept sei auch nicht „in Stein gemeißelt“, sondern ein laufender Prozess. „Wir sind für Ideen und Anregungen dankbar. Uns ist nur wichtig, den Stein ins Rollen zu bringen, wenn noch aktiv gestaltet werden kann – nicht erst, wenn aufgrund rückgängiger Bestattungszahlen und steigender Kosten reagiert werden muss“, so Weydmann abschließend.
St. Andreas-Kirchengemeinde/Mareike Spillner