Über Schubladen, Nasenpiercings und Vergebung

Nachricht Osterode, 04. Juli 2020

Neuer Pastor für St. Aegidien: Sascha Joseph Barth

@Mareike Spillner

Der Kirchenvorstand der St. Aegiedien-Marktkirche in Osterode ist an diesem Sonntag in freudiger Aufregung. Denn ein neuer Pastor ist in Sicht: Sascha Joseph Barth aus Munster hält heute seine Aufstellungspredigt. Und auch der hat gleich eine frohe Botschaft für seine neue Gemeinde in Spe: „Am Platz können sie ihre Masken abnehmen, wenn sie möchten. Nur auf dem Weg dorthin und wieder hinaus sind sie noch Pflicht.“

 

Nachdem die Geschichte des verlorenen Sohnes verlesen wurde, ging der junge Pastor in seiner Predigt auf verschiedene Schubladen des Lebens ein. Folgendes Szenario: Ein Familienvater betritt mit Anzug und Krawatte eine Bank, weil er für seine Kinder Sparverträge abschließen möchte. Schließlich möchte er ihnen eine gute Basis für die Zukunft garantieren. Dazu hat er extra seinen Anzug rausgekramt und nochmal gebügelt. Er will schließlich einen soliden Eindruck machen. Und wer steht da hinter dem Tresen und soll ihn beraten? Nicht der auseingesessene Herr Janssen, der ihn seit Jahrzehnten berät – sondern ein junges Mädchen mit Nasenpiercing, Tattoos und gefärbten Haaren. Na, das kann ja was werden…

Wie oft passiert es uns im Alltag, dass wir unbewusst oder bewusst in Schubladen denken und einsortieren? „Schublade auf, rein mit der Person, Schublade zu. Sie haben keine Chance – wie in der Geschichte des verlorenen Sohns“, betrachtete Sascha Barth die Sache mit dem Schubladendenken. Und auf die Geschichte vom verlorenen Sohn bezogen, der alles Geld seines Vaters versäuft, verprasst und dann kleinlaut nach Hause zurückkehrt. „Da geht bei mir ehrlich gesagt die Schublade für unerträgliche Angeber auf“, erklärt der Pastor ehrlich und direkt. Allerdings nur, bis sich der verlorene Sohn besinnt, für seine Fehler entschuldigt und Reue zeigt. Er bittet den Vater um Vergebung, dieser verzeiht ihm und feiert die Rückkehr seines Sohnes. „Bei Gott werden keine Schubladen mit Vorurteilen gefüllt – sondern das Leben mit Liebe!“, bemerkte Sascha Joseph Barth und stellte das Thema mithilfe einer Schublade und Papierknäuel auch bildlich dar. Und wie war das nun mit der Vorsorge für die Kinder? Tja, die gepiercte junge Dame konnte den Herrn im Anzug natürlich vorbildlich beraten und ein individuelles Angebot unterbreiten, das begeisterte. So ist das eben mit Vorurteilen…

 

Im Anschluss hatte die Gemeinde trotz Mundschutz und Sicherheitsabstand noch Gelegenheit, mit dem neuen Pastor für St. Aegidien ins Gespräch zu kommen.

 

Laut Pfarrstellenbesetzungsgesetz kann jedes Glied der Kirchengemeinde, das am Tage des Ablaufs der in Absatz 2 genannten Frist das Recht zur Teilnahme an einer Wahl zum Kirchenvorstand besitzt, nach der Aufstellungspredigt Einwendungen gegen die Besetzung der Pfarrstelle mit diesem Bewerber oder dieser Bewerberin erheben. Das Veto muss schriftlich erhoben werden und mit Gründen versehen sein. Es muss bis zum Ablauf des sechsten Tages nach der Aufstellungspredigt bei der Kirchengemeinde erhoben werden. „Dies war allerdings nicht der Fall – und hatten wir auch nicht erwartet“, bemerkt Kirchenvorsteher Wolfgang Wiedemann augenzwinkernd. „Wir sind sehr zufrieden mit der Vakanzvertretung von Klaus-Wilhelm Depker, der dann als Springer im Kirchenkreis weiterzieht, freuen uns aber natürlich gleichzeitig auch auf unseren neuen Pastor!“

 

Sascha Joseph Barth ist 34 Jahre alt und seit sechs Jahren Pastor. Evangelische Theologie hat er von 2005 bis 2012 in Bielefeld und Göttingen studiert. Ökumenisch abgerundet wurde die Studienzeit durch ein Gaststudium der katholischen Theologie und der Philosophie in Paderborn. Von 2012 bis 2014 war Sascha Joseph Barth Vikar am Bardowicker Dom bei Lüneburg und von Sommer 2014 bis 2020 Pastor in Munster in der Lüneburger Heide. Im September wird er seinen Dienst an St. Aegidien, Riefensbeek-Kamschlacken und in der Kapellengemeinde Ührde beginnen, am 20. September um 15 Uhr wird sein Einführungsgottesdienst stattfinden. Sascha Joseph Barth wird mit seiner zweijährigen Tochter Katharina und seiner Lebensgefährtin Anja Kanzinger nach Osterode ziehen.

 

In den nächsten Wochen bieten die Osterode Kirchengemeinden eine Sommergottesdienst-Reihe unter dem Motto „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ an. Start ist am Sonntag, 19. Juli, um 10 Uhr in der St. Aegidien-Marktkirche – bei gutem Wetter im Gemeindehausgarten, Aegidienstraße 4. Das Thema ist: „Mauern im Kopf – Nikodemus“ mit Pastor Klaus-Wilhelm Depker. Weiter geht es am Sonntag, 2. August, um 10 Uhr in der St. Jacobi-Schlosskirche unter dem Motto: „Die Mauern zwischen Leib und Seele überwinden – was liegt hinter uns? Was kommt auf uns zu?“ mit Pastor Michael Bohnert. Und den Abschluss der Reihe bildet ein Gottesdienst am Sonntag, 16. August, um 10 Uhr in Lerbach am Hüttenteich im Unterdorf. Dieser wird gestaltet von Volker Dobers und dem Posaunenchor unter der Leitung von Andreas Bücher und befasst sich mit dem Thema: „Meine engen Grenzen…“. Zu diesem Gottesdienst sei möglichst ein eigener Klappstuhl mitzubringen (kein Scherz). Weitere Infos auf den Homepages der beteiligten Kirchengemeinden.

mareike Spillner