Landesbischof Ralf Meister stellte sich Fragen der Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher
Die neuen Kirchenvorsteher in den Gemeinden der Kirchenkreise Leine-Solling und Harzer Land wurden im März dieses Jahres gewählt und einige Monate später in ihr Amt eingeführt. Sie sind also schon voll in Action, könnte man sagen. Allerdings liegen eben auch noch sechs Jahre mit vielfältigen Aufgaben vor ihnen und auch, wenn alles ehrenamtlich ist, werden die Anforderungen damit nicht geringer.
Daher wurde am vergangenen Samstag in Northeim ein Orientierungstag mit Workshops für alle interessierten Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher angeboten, bei dem sie sich zu zahlreichen unterschiedlichsten Themen informieren lassen konnten. Bevor es allerdings an die Arbeit ging, wurde in der Apostelkirche eine Andacht gefeiert, bei der Landesbischof Ralf Meister zu den neuen und alten Vertretern der Gemeinden sprach und sich auch einigen dringenden Fragen aus deren Reihen stellte.
Begrüßt wurden die Anwesenden von Superintendent Volkmar Keil, der erst einmal deutlich machte: „Sie haben für Ihre Gemeinde Verantwortung übernommen. Das verdient unsere große Hochachtung.“ Ganz ähnlich formulierte es dann auch Ralf Meister, der noch einmal darauf hinwies, dass der Kirchenvorstand durchaus eine Position ist, in der Entscheidungen getroffen und die Geschicke der Gemeinden eigenverantwortlich angepackt werden.
Anders als häufig in der Welt gehe es im Gottesreich um den Verzicht auf Macht, so der Landesbischof weiter, das zeigte sich schon bei Jesus und seinen Jüngern. Eine Hierarchie und die Karriereleiter spiele in der Kirche keine Rolle. „Und nun steht hier der Bischof und erzählt Ihnen das“, warf er augenzwinkernd ein. Doch es gehe tatsächlich um die Sache und um die zu erledigenden Aufgaben, darum, im Miteinander das Beste zu erreichen. Zu eingefahrene Strukturen seien da oft hinderlich. Manchmal, so seine eigene, ganz praktische Erfahrung, reicht es schon aus, einfach mal die Sitzordnung zu ändern und schon sei es möglich, Dinge neu anzupacken.
Insgesamt halte er es für ungemein wichtig, immer flexibel zu bleiben, denn auch die Welt ändere sich nun einmal stetig und damit auch und vielleicht im Moment ganz besonders, die Anforderungen an Kirche und Gemeinde. „Aber Gott begleitet uns, er steht uns bei“, machte er Mut.
In einem zweiten Teil stellte Pastor David Geiß dann einige der Fragen, die die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher zuvor notiert hatten. So wollten einige beispielsweise wissen, was so ein Landesbischof eigentlich den ganzen Tag macht. „Das Wichtigste ist es“, holte Ralf Meister aus, „die Fahrzeiten zu den vielen Terminen zu koordinieren.“
Es wurde aber auch ernster. Wie gelingt es, dass die Kirche im Dorf bleibt? Eine Patentlösung hierauf hat auch ein Landesbischof nicht, er ist aber überzeugt, dass das Wichtigste immer die Menschen vor Ort sind, der gelebte Glaube und in zweiter Linie natürlich auch Strukturen, um die sich die Landeskirche bemüht. Allerdings sei beispielsweise die Schließung von Gotteshäusern mangels Bedarf keinesfalls ein nur ländliches Problem, das gebe es leider auch in Hannover.
Genau aus diesem Grund brauche es ja auch den Kirchenvorstand, der wie schon zu Jesu Zeiten ehrenamtlich, aus Überzeugung und mit dem direkten Draht zu den Menschen, Kirche vor Ort leitet. Dennoch gelte es seitens der Landeskirche natürlich, auch Hauptamtliche so einzusetzen und Mittel bereitzustellen, um es den Ehrenamtlichen nicht noch schwerer zu machen. Da sein die Kirche insgesamt gerade mitten in einem Veränderungsprozess, in dem vieles den gegebenen Verhältnissen angepasst wird.
Was sei denn Ralf Meisters Vision von Kirche im Jahr 2035, lautete eine weitere Frage. „Die Vision von Kirche gibt es nicht“, antwortete er darauf, „Noch nicht. Wir sind noch sehr in alten Bildern von Kirche verhaftet und müssen erst einmal ein neues schaffen.“ Die neuen Kirchenvorstände in den Gemeinden können daran mitarbeiten.
Vom kirchlichen Escape-Room zum Tankstop mit Pastor
Zwei Kirchenkreise, eine Mission: Kirchenvorsteher-Tag mit 200 Teilnehmern
„Gewählt, berufen, eingeführt – und nun?“ unter diesem Motto stand der große Orientierungstag für Kirchenvorsteherinnen und -vorsteher der Kirchenkreise Leine-Solling und Harzer Land am Samstag. Stolze 200 Teilnehmer hatte die Veranstaltung zu verzeichnen, die mit einer feierlichen Andacht und einer Podiumsdiskussion in der Apostelkirche mit keinem geringeren als Landesbischof Ralf Meister eröffnet wurde. Anschließend ging es mit einem Busshuttle, zu Fuß oder in Fahrgemeinschaften zur BBS I, wo verschiedene Workshops auf die neuen Kirchenvorsteher warteten. So zum Beispiel „Vorstand für Anfänger – wie funktioniert Kirche eigentlich? bis hin zu „Guten Tag. Wir glauben nebenan! – Nachbarschaft der Gemeinden mit Gewinn.“ Durch den Workshop „Läuft! Oder auch nicht? Perspektiven der Jugendarbeit“ führten Axel Peter und Jan Mönnich und informierten über die Jugendarbeit in beiden Kirchenkreisen. Dass Kirche modern sein, und auch neue Wege gehen kann, dazu gaben Pastor Andreas Schmidt und Kirchenvorsteherin Kerstin Ahlborn mit ihrem Vortrag zu „Vom kirchlichen Escape-Room zum Tankstopp mit Pastor – Ideen, die Gemeinden beflügeln“ viele Ideen und vielleicht zunächst auch ungewöhnliche Impulse. So können in Schönhagen bei Uslar nicht nur Rätsel im Escape-Room gelöst werden, es wird auch jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit nach und nach eine lebensgroße Krippe vor der Kirche aufgebaut. Drei Familien öffnen ihre Pforten und geben der schwangeren Maria, Joseph und dem Esel Zuflucht auf ihrem Hof und eine Herberge für den Abend. Die Menschen des Ortes kommen zusammen, erleben eine Andacht mit Punsch und in Geselligkeit. „Und das Wichtigste: Kirche verbindet, man kommt untereinander ganz zwanglos ins Gespräch.“ Pastor Schmidt setzt hingegen viel auf den öffentlichen Personennahverkehr: Er hat bereits eine Reformationsandacht im Zug gefeiert, lädt regelmäßig zu Kaffee auf Kirchenkosten an der Pöhlder Tankstelle ein und als neueste Planung ist ein Gottesdienst im Bus geplant. Für die Arbeit von Kirchenvorstehern und -vorsteherinnen ist es durchaus sinnvoll, ein wenig über die größeren Strukturen der evangelischen Kirche zu wissen. Diesen Part übernahm der Leiter des künftigen gemeinsamen Kirchenamtes, Karl-Heinz Himstedt. Doch so trocken das Thema auch klingen mag, so schnell nahm der Referent seinen Zuhörern nicht nur die Angst vor einem anstrengenden Vortrag, sondern auch vor einem eintönigen Ehrenamt. Die nötigen Tipps für eine gelungene Kirchen-Konzertreihe und kulturellen Ausstellungen kamen an diesem Tag von Pastor Peter Büttner von der Klosterkirche Fredelsloh. „Der Gottesdienst mit dem Landesbischof zum Start der Veranstaltung bot einen richtigen Unterhaltungsfaktor. Und diese Veranstaltung ist nicht nur super organisiert worden – sie macht auch noch Sinn! Denn alle sehen: Ich bin nicht alleine mit diesem Ehrenamt“, so der O-Ton von fünf „frischgebackenen Kirchenvorstehern, die gleich an drei Workshops teilnahmen. Denn das Ziel der Veranstaltung war es schließlich, die neu gewählten Kirchenvorsteher in den Gemeinden gut für ihre ehrenamtliche Tätigkeit zu rüsten und ihnen Ideen und Anregungen für ihre künftige Arbeit in den Kirchenvorständen an die Hand zu geben. Dies scheint gut gelungen! Nicht fehlen durfte natürlich auch der Kabarettist Norbert Hammermeister, der zu dieser besonderen Veranstaltung extra ein Lied über Fusionitis, die digitale Reformation und neue Begriffe für Pastoren wie „Teppichklopfer, Netzwerkmeister, evangelische Frontschweine und Dauergrinser“ komponierte. Dass er damit für viel Heiterkeit sorgte, dürfte klar sein.
Christian Dolle und Mareike Spillner