Die spannende Idee der multireligiösen Gesellschaft

Nachricht Duderstadt, 24. November 2016
Podium
Das Podium in der Sparkasse Duderstadt

Ökumenischer Dialog in der Sparkasse Duderstadt

„Toleranz setzt Gegenseitigkeit voraus“ – darin waren sich die Vertreter der Kirchen und des Bistums Hildesheim am Donnerstagabend beim ökumenischen Dialog in der Sparkasse Duderstadt einig. Zum Thema „Wie viel Toleranz braucht die multireligiöse Gesellschaft?“ hatten die katholische und die evangelische Erwachsenenbildung zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die seit dem Jahr 2000 jährlich stattfindet. Nach der Begrüßung durch den Sparkassenvorstand Markus Teichert übernahmen Sigrid Jacobi, Vorstandsmitglied der evangelischen Erwachsenenbildung, und Daniela Breckerbohm, Vorsitzende des Katholischen Bildungswerkes Untereichsfeld, die Moderation des Abends. Ein Impulsbeitrag von Dr. Christiane Schubert, Referentin für interreligiösen Dialog des Bistums Hildesheim, stimmte auf das Thema und die anschließende Publikumsdiskussion ein. Sie stellte zunächst klar: „Toleranz bedeutet nicht gleich Wertschätzung. Sondern nur, andere Meinungen zu akzeptieren.“ Es steht in Artikel 3 des Grundgesetzes geschrieben: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. „Was in der Verfassung steht, ist die eine Sache. Aber wird sie auch wirklich gelebt?“, stellte sie die Frage in den Raum. Denn Umfragen zufolge sei nur jeder zweite Deutsche dafür, allen religiösen Gruppen die gleichen Rechte zuzusprechen. Schuberts These, was die Toleranz erleichtere: Das Wissen um religiöse Überzeugungen und Traditionen sowie die konkrete Begegnung. Volkmar Keil, Superintendent des Kirchenkreises Harzer Land, führte die Problematik noch etwas weiter aus: „Es leben eine Vielzahl von Religionsgemeinschaften weitgehend gleichberechtigt in unserer Gesellschaft. Es gibt aber keinen multireligiösen Glauben und keine multireligiösen Werte. Inhaltlich betrachtet ist unsere Gesellschaft also eher eine religionslose Gesellschaft.“ Dazu führte er ein Beispiel an. „Man kann das sehr schön an Europa erkennen: Es war trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, einen Gottesbezug in die europäische Verfassung aufzunehmen.“ Deshalb sprach sich Keil für eine stetige Wertediskussion aus, an der sich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen beteiligen, um über die Grundsätze, aus denen Werte hervorgehen, zu diskutieren und diese neu zu definieren. Eine Rückkehr der christlichen Gesellschaft erwarte er in näherer Zukunft nicht. „Vielleicht wäre eine multireligiöse Gesellschaft eine spannende Idee. Eine Gesellschaft, in der die bedeutenden Religionsgemeinschaften untereinander in einem Dialog über die Grundsätze gesellschaftlicher Werte treten.“ Für Propst Bernd Galluschke, Dekanat Untereichsfeld, sind im Zusammenhang mit Toleranz „ein gutes Selbstbewusstsein und eine starke Identität“ wichtig. Er ergänzte den Vortag des Superintendenten, indem er hinterfragte: „Religionslos oder glaubensvoll?“ Unterschiedlichkeit sei normal, aber es müsse ein offener, ehrlicher und vertrauensvoller Dialog auf Augenhöhe stattfinden. Die Grenzen der Toleranz sahen die drei Referenten grundsätzlich bei Gewalt, Rassismus und Angriffen auf die Menschenwürde gegeben. Im Anschluss dieser tiefgreifenden und nachdenklichen Vorträge blieb Gelegenheit für eine offene Diskussion. Die Idee einer interkulturellen Wertediskussion in Duderstadt griff Sigrid Jacobi für das kommende Jahr auf.

Öffentlichkeitsbeauftragte Mareike Spillner