Alles andere als entbehrlich
Während die Kirchen heute mit dem demografischen Wandel zu kämpfen haben und auch im Kirchenkreis Harzer Land sogar schon Kirchengebäude zum Verkauf angeboten werden, sah die Situation in den 1960er Jahren noch gänzlich anders aus. Damals wuchsen Gemeinen und in zahlreichen Orten entstanden neue Kirchen, die aufstrebenden Städten oder Stadtteilen die nötige Infrastruktur und das Gefühl einer gemeinsamen Identität und Heimat gaben.
Einer dieser Kirchen ist die Kreuzkirche in Osterode, die vor genau 50 Jahren eingeweiht wurde. Doch auch wenn es aus heutiger Sicht ziemlich rosig aussieht, war der Weg der Gemeinde zu ihrer eigenen Kirche kein einfacher. „Ein Anfang mit Hindernissen“ lautete der Titel eines Vortrags, zu dem Pastorin Johanna Friedlein eingeladen hatte und bei dem Joachim Buff über die damaligen Ereignisse berichtete.
Jene Zeit in den 60er Jahren war vom Wachstum der Stadt bestimmt und von Menschen, die – wenn auch meist mit einfachen Mitteln und viel Eigenleistung – ihr eigenes Heim aufbauten. So verwandelte sich der westliche Röddenberg, das sogenannte Siechenfeld, von der Schafweide allmählich zum boomenden Baugebiet mit Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und nach dem Wunsch vieler Anwohner eben auch einer eigenen Kirche.
Das Geld für den Bauplatz musste die Gemeinde allerdings selbst aufbringen, der wurde schließlich für fünf Mark gekauft und es sollten auch ein Pfarrhaus und ein Kindergarten entstehen. Gottesdienste fanden erst einmal im Gemeindesaal statt, denn um den Bau der Kirche gab es mit dem Landeskirchenamt einige zähe Verhandlungen.
Die Pläne der Landeskirche sahen eine Kirche mit 500 Sitzplätzen vor, es sollten allerdings nur 250 werden, berichtete Buff. Dafür musste die Gemeinde um ihren Kirchturm streiten, der zunächst nicht bewilligt werden sollte. „Man hielt ihn für entbehrlich“, erinnerte sich Buff, „so dass noch zu Baubeginn der Kirche weiterverhandelt wurde und mit dem Bau des Turmes dann erst im letzten Augenblick begonnen werden konnte.“ Ebenso wurden die Mittel für die Glocken zurückgezogen, so dass auch dieses Geld selbst aufgebracht werden musste. Nicht viel anders lief es dann auch mit der Orgel, die wie so vieles andere in einer kleineren Version als ursprünglich geplant realisiert wurde.
Es waren turbulente Zeiten, machte Buffs Vortrag deutlich, doch Zeiten, in denen Menschen sich mit ganzer Kraft für ihre Kirche engagierten. Letztlich mit Erfolg, denn die Kreuzkirche wurde fertiggestellt und bot vielen Gemeindegliedern seit damals eine geistliche Heimat. Die Gemeinde war die erste innerhalb des Kirchenkreises, die eine Frau als Kirchenvorsteherin wählte und wurde später als „Mustergemeinde“ betitelt.
„Die Probleme sind seit damals nicht geringer geworden“, begründeten Buff und Friedlein diese Form des Rückblicks auf die vergangenen 50 Jahre. Damals wie heute falle nichts vom Himmel, doch mit tatkräftigem Engagement könne vieles erreicht werden.
Christian Dolle